Wie viel kostet das? vs. Wie viel ist das wert?

Heute ist über eine Freelancer-Plattform wieder ein tolles Angebot hereingetrudelt. Soll ich mich darüber freuen?


Wir schreiben Hauptsächlich Ratgeber und E-Books zu verschiedenen Themen. Meist sind die Bücher so im Rahmen von 10.000 Wörtern. Es sind also keine Romane mit 100.000 Wörtern, also recht überschaubar und für gute Ghostwriter kein großer Zeitaufwand. Zeitlich sind wir es von früherer Zusammenarbeit gewohnt, dass unsere Partner innerhalb von 1-2 Wochen lieferten. Wenn Du aber mehr Zeit brauchen solltest, ist es auch kein Problem. Wir sind es gewohnt, für die ersten fünf Bücher 1 Cent/Wort zu zahlen und für weitere 2 Cent/Wort. Grundsätzlich sind wir an einer langfristigen Zusammenarbeit interessiert sprich je nach Geschwindigkeit 2-3 Ebooks im Monat.Was hälst Du von den thematischen , preislichen und zeitlichen Gegebenheiten ? Wir erwarten große Zuverlässigkeit und da wir nur deutsche Bücher veröffentlichen deutsch als Muttersprache. Die Bücher werden mit einer Plagiats-Software gecheckt und wir bekommen alle Nutzungsrechte. Wir würde uns sehr über eine positive Antwort und über eine Zusammenarbeit freuen!


Analysieren wir die Situation kurz:

  • Nicht der Auftraggeber schreibt die Bücher, sondern der Ghostwriter.

  • 10.000 Wörter brauchen etwa 10 Stunden Schreibzeit. Wenn sich der Ghostwriter gut im Thema gut auskennt, ist die Schreibzeit geringer. Neben der Schreibzeit fallen bei der Bucherstellung noch andere Dinge ins Gewicht: Recherche, Konzeption, Korrektur und Überarbeitung. Diese Faktoren brauchen mit Sicherheit fünfmal so viel Zeit wie das eigentliche Schreiben.

  • Es wird suggeriert, dass der Ghostwriter nicht gut ist, wenn das Projekt für ihn nicht recht überschaubar ist.

  • Der Auftraggeber arbeitet nicht mit Deadlines. Es kann davon ausgegangen werden, dass er allgemein nicht professionell ist und das von einem Ghostwriter ebenfalls nicht erwartet.

  • Es ist dem Auftraggeber egal, welche Erfahrung der Ghostwriter hat. Er zahlt immer denselben Wortpreis.

  • Die offene Frage klingt so, als ob der Ghostwriter ein Gegenangebot machen darf. Darauf komme ich später zurück.

  • Der Einsatz von Plagiats-Software dient als Abschreckungsmethode, um Copy & Paste zu unterbinden. In vielen Fällen verwenden Selbstverleger keine Software oder nehmen sich nicht die Zeit, den Text zu prüfen.

  • Der Selbstverleger sagt nichts über seine eigenen Erfahrung mit Ebooks oder dem Verkauf von Büchern. Der Ghostwriter weiß nicht, wie viel der Kontakt am anderen Ende über Vermarktung weiß oder wie viele Bücher er bereits auf den Markt gebracht hat. Auch zu diesem Punkt komme ich später zurück.

  • Der Auftraggeber erwartet Qualität, schafft es aber nicht, ein kurzes Email fehlerfrei herunterzutippen.


Die Wertschätzung, die in diesem Email steckt, ist lausig. In ein Buch von 10.000 Wörtern steckt ein guter Ghostwriter mit Sicherheit 50 Stunden. Das ist eine Woche Arbeitszeit. Dafür erhält er:

1-Cent-Bezahlung: 100 Euro

2-Cent-Bezahlung: 200 Euro

Das Buch braucht 50 Stunden und der Stundenlohn würde bei der ersten Variante 2 Euro betragen. In der zweiten Version 4 Euro. Nehmen wir an, dass es sich um einen guten Ghostwriter handelt, von dem der Auftraggeber spricht. Er schafft das Buch in 40 Stunden. Sein Stundenlohn sind bei der ersten Methode 2.50 Euro und bei der zweiten 5 Euro. Ich weiß nicht, mit welchen anderen Tätigkeiten man so wenig verdient.


Diese „1-Cent-Mentalität“ hat unter den Selbstverlegern längst Furore gemacht und dasselbe Anschreiben wird von vielen 1:1 übernommen. Ich mache mir Gedanken darüber, wer diese Empfehlungen weiter gibt und wie sich diese Einstellung unter den Selbstverlegern behauptet. Für 1 bis 2 Cent pro Wort darf das Gegenüber meiner Meinung nach das gleiche Copy & Paste wie im Anschreiben erhalten.


Diese Mentalität hat nicht nur in der Selbstverleger-Branche Einzug gehalten, sondern generell in der Kreativwirtschaft. Sibille Hamann, eine bekannte österreichische Journalistin, hat vor kurzem über das Schnorrertum geschrieben und kritisiert:


Sie versprechen, man werde groß rauskommen ("Sie können mit einem starken Impact rechnen"). Sie locken mit Gratiswerbung ("Wir schreiben Ihren Namen groß aufs Plakat!"), mit Kontakten ("... eine einmalige Gelegenheit zum Networking"), mit Möglichkeiten zur Selbstvermarktung ("Sie können ja Ihre Bücher mitbringen und verkaufen") und – eventuell – mit lukrativen Folgeaufträgen ("Es wird sich sicher was Spannendes draus ergeben!")


Gerade ein Selbstverleger, der in der Kreativwirtschaft arbeitet, sollte diese Situation kennen und seinen Designern, Schreibern, Übersetzern und anderen Mitwirkenden ein Honorar zahlen, das ihre Arbeit wert ist.


Hebe die Verhandlung auf ein anderes Niveau

In diesem Email verstecken sich zwei Punkte, an denen du als Ghostwriter einhaken kannst:

Was hältst Du von den thematischen, preislichen und zeitlichen Gegebenheiten?

Du kannst ein Gegenangebot machen, das deine Leistungen anführt oder Paketpreise anbieten. Der Selbstverleger wird neben dem Ghostwriter nach einem Designer oder Lektor suchen, der das Buch formatiert, gestaltet und überprüft. Einige übernehmen diese Arbeiten selbst, um weitere Kosten zu sparen. Diese Dinge brauchen jedoch ebenfalls Zeit. Erkläre deine Leistungen und verlange ein höheres Honorar oder arbeite mit einem Paketpreis. Wie viel ist es dem Auftraggeber wert, dass er die Zeit am Buch verkürzt und alles in einer Hand bündeln kann? Wie viel ist es ihm wert, eine gleichzeitige Qualitätskontrolle seiner Bücher zu erhalten?

Wir erwarten große Zuverlässigkeit und da wir nur deutsche Bücher veröffentlichen, Deutsch als Muttersprache.

Hake hier ein und frage nach dem Hintergrund des Selbstverlegers. Einige arbeiten mit Schall und Rauch und befinden sich erst am Start. Du kannst ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen und durch dein Wissen über den Markt höhere Preise verlangen. Als Ghostwriter kannst du dir die Menschen aussuchen, mit denen du zusammen arbeitest.


Stelle klar, was ein guter Ghostwriter für seinen Auftraggeber macht

Ghostwriting ist nicht nur Schreiben, sondern viel mehr:

  • Recherche zum Thema (tendenziell zeitintensiv)

  • Zielgruppenbestimmung (tendenziell zeitintensiv)

  • Konzeption

  • Eigentliches Schreiben

  • Korrektur und eventuelle Überarbeitung

  • Finale Gesamtversion

Wenn der Auftraggeber weniger für sein Buch zahlen möchte, mach als Ghostwriter Abstriche an deinen Leistung. Für weniger Geld die gleichen Leistungen auszuführen, ist keine gute Idee.

Spinne das Gespräch weiter: Wenn der Selbstverleger keinen Plan für sein Buch oder keine Marketing-Strategie hast, so sprich das an. Er sollte in diesem Fall kein Buch ohne Beratung veröffentlichen. Es würde ein Leerlauf-Buch werden.

Hast er bereits Erfahrung mit seinem Verlag, etwas Geld mit dem Bücherverkauf gemacht und eine gute Marketing-Strategie, so frage als Ghostwriter nach einer zusätzlichen Gewinnbeteiligung an. Das motiviert nicht nur, sondern spornt auch zu Höchstleistungen an.


Ich freue mich über dein Feedback in den Kommentaren!


 
 
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Hi, ich bin Stefanie und ich helfe Autoren und Selbstverlegern dabei, aus ihren spannenden Ideen Bestseller zu entwickeln und online zu vermarkten.

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